WAS IST.

Dinge sind. Sie existieren in dieser Welt. Allein dieser Umstand ist erfahrbar. Braucht es so viel mehr?

 


Reicht nicht manchmal die Wahrnehmung, die Beschreibung des Ist-Zustands? Müssen wir in das Ist stets eine Intention dichten oder diesem einen Mangel attestieren, um ein Soll zu kreieren? Der Ist-Zustand ist ohnehin kein objektiver. Die selektive Wahrnehmung und Gewichtung des Betrachters konstruiert systemimmanent eine eigene RealitätZu diesem Zwecke habe ich Betrachtungen vorgenommen. Inspiriert von Max Frischs Montauk folgt nun eine bloße Beschreibung meiner Beobachtungen, die subjektive Wirklichkeit eines morgendlichen Spaziergangs - eine Erzählung?:

 

Eine am Telefonhörer hängende Frau beseitigt den Strafzettel, den der nunmehr 70 m entfernte Ordnungspolizist zwischen die Scheibenwischer ihres Peugeot SUVs gesteckt hat.

In der Nähe des Ordnungspolizisten, der nun einen anderen Wagen an einer Straßenecke prüft, steht die Müllabfuhr quer und blockiert die gesamte Kreuzung. Nicht nur die Straße ist durch das große Fahrzeug vollkommen versperrt. Auch die gefalteten Pappkartons, die neben einer Mülltonne auf dem Bürgersteig liegen, weil deren Volumen offenbar für das Müllkontingent der Familie nicht ausreichend war, versperren einem jungen Vater mit Kinderwagen den Weg. In Ansteuerung auf den versperrten Bürgersteig geht der junge Mann in die Knie und schiebt die gefaltete Pappe mit einer Hand zur Seite während er mit der anderen den Kinderwagen weiterschiebt. Das Schild des schicken italienischen Restaurants, welches gerade von der Müllabfuhr versperrt wird, leuchtet. Es ist neun Uhr morgens.

Eine Straße weiter wartet ein Vater mit Kinderwagen vor den automatisierten Toren der jüdischen Schule. Sie öffnen sich. Er schiebt Kind und Wagen durch den Eingang. Das Tor schließt hinter ihm.

In der Westendstraße, in der sich auch die jüdische Schule befindet, hängen auffällig viele FDP-Wahlplakate. “Die Wirtschaft nicht kaputt verbieten” hängt hoch an einem Laternenmast. Das gegenüberliegende Anwesen betritt zu diesem Zeitpunkt eine lateinamerikanische Frau in Jogginghose.

In der selben Garderobe gekleidet ist der Mann, der aus dem Einkaufsladen spaziert und sich für den Kauf eines Brötchens und zwei Boxen Taschentücher entschieden hat.

Jemand fährt auf einem Fixie vorbei. Aufrecht, die Hände nicht am Lenker, sondern am Handy. Zur Sicherheit hat er Reflektorenbändchen um die Knöchel gebunden.

 
Weiter
Weiter

EINE GESCHICHTE ÜBER ROTE LIPPEN